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Grabungsvorgeschichte und die Hilfe mancher interessierter Einwohner…

Zu unseren letzten zwei Gruppennachmittagen im Oktober des Jahres 1962 waren auch Jugendliche Georgenthals anwesend, deren Schulentlassung bereits Jahre zurücklag. Hier stellten wir abschließende Vergleiche zwischen Schliemanns sensationellen Grabungsfunden aus der zweiten Hälfte des 19. Jarhunderts in der Türkei sowie Griechenland und den zu erwartenden Grabungsergebnissen auf dem nahegelegenen St. Georgsberg in der Heimat der gesamten Zuhörerschaft her, die uns der Altenberger Heimatforscher und Heinrich Stiehler bereits vor rund 110 Jahren in seinem Buch “Kloster und Ort Georgenthal” ja so anschaulich geschildert hat.
Einer jener Jugendlichen Georgenthals, der sich schon bald als ein heimathistorisch recht gut informierter Mitstreiter entpuppte, war Paul Lesser, der Sohn unserer damaligen nimmermüden Leiterin der Georgenthaler Schulküche – Luise Lesser.
Nicht nur Paul Lesser und ich, wahrscheinlich wohl alle, waren damals und manche sind es noch heute, von den einzigartigen Goldfunden Heinrich Schliemanns, aber auch von der Vorgehensweise seines Mitstreiters Prof. Rudolf Virchows fasziniert.
Virchows Ehrgeiz, der ihn unablässig dazu trieb Mutmaßungen durch Beweiße zu ersetzen, Theorien auf den Grund zu gehen und Zusammenhänge sichtbar zu machen sowie besonders Stiehlers Anregungen zur Wiederentdeckung eines Vorläuferbaus des späteren Zisterzienserklosters Georgenthal in der unmittelbaren Heimat meiner Schüler, hatten damals fast alle Teilnehmer für ein schnellstmögliches Ausgraben motiviert. Aber vor einem spontanen archäologischen Vorgehen mit den Schülern war ich durch das nahezu fanatische Handeln Virchows, welches diesen zwar oft zur Übereinstimmung mit wenigen, doch meistens zur Gegnerschaft mit vielen geführt hatte, damals noch gewarnt. Hingegen sollte dessen Lebensideal meinem Forschen mit jungen Menschen in den kommenden Jahrzehnten als Richtschnur dienen:
“Wir müssen streitbare Männer erziehen, welche die Schlachten des Humanismus kämpfen!”
Zum vorerst letzten Gruppennachmittag Ende Oktober 1962 hatten einige Schüler uralte Postkarten, Briefe und Urkundenbelege mitgebracht, die zwar interessante Ereignisse schilderten, doch mit der Georgenthaler Geschichte kaum im Zusammenhang standen. Hingegen sollten die Mitbringsel von Paul Lesser bald dazu führen, dass nicht nur der Lehrer sondern auch die künftigen Mitglieder seiner AG “Junge Historiker” bei den obligatorischen Altstoffsammlungen der Schule sowie der Gemeinde ihre Augen stets besonders offen hielten (Anm.: Im Kapitel VII wird aufgezeigt, wozu eine solche “Spurensuche” in dem seit 1973 von der Körber-Stiftung ausgeschriebenen “Geschichtswettbewerb des Budespräsidenten” führte.) und somit manches Originaldokument für die heimathistorischen Forschungen retteten (vgl. Anm. 19 und folgende Bilder).

Originalprogramm
– im Privatbesitz des Autors

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Juni 1933 der Franz (Schreyer) und die Kathrin (Luise Lesser) – beide links außen
(Anm.: Das von Frau Luise Lesser (†) und Herrn Franz Schreyer (†) anlässlich der 52. Hauptversammlung des Thüringer-Waldvereins vom 24. – 25.06.1933 uraufgeführte Bühnenstück “Der Franz und die Kathrin” erweckten von 1985 – 1990 Frau Irmtraud Seibt (geb. Möller) und der Autor mit ihren Auftritten vor den Urlaubern Georgenthals zu neuem Leben.)

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Spätsommer 1987
der Autor als Franz im Saal der Gaststätte „Thüringer Wald“ (inzwischen abgerissen)

Meine persönliche Spurensuche vor Ort begann ja schon in der Vorschulzeit und war vor allem von meinen Großeltern stets liebevoll begleitet worden. Doch nun galt es für mich als den jungen Lehramtsanwärter eines so geschichtsträchtigen Ortes wie Georgenthal, später auch für die Schüler meiner AG „Junger Historiker“, die Heimatliteratur (z.B. Stiehler, Baethcke u. Lerp) sowie Ortschroniken auszuwerten, alte Fotodokumente und Karten zu studieren, der Geschichte von Flurbezeichnungen, Straßennamen und Denkmalen nachzugehen – also die Lokalgeschichte tiefgründiger zu untersuchen, was unser späteres gemeinsames Handeln prägen sollte.
Besonders das Resultat der mit betagten Zeitzeugen der Orte Altenbergen, Catterfeld und Georgenthal geführten Gespräche stimulierten mein persönliches Forschen bis heute. So hatten schon die Befragungen in den Sommermonaten des Jahres 1962 zur Bedeutung der Flurnamen in Altenbergen Catterfeld ergeben, dass im Volksmund der Clausenhain als Krusenhahn, der Alte- bzw. Johannesberg einfach nach seinem Denkmal „der Candelaber“ und die große Flur Asolveroth mit seiner uralten Straße vom Hirzberg bis zum St. Georgsberg von den „Alteingesessenen“ bis heute mit „Apfelsrod“ bezeichnet wird.
Während damals alle von mir befragten Einwohner der Orte Altenbergen und Catterfeld davon überzeugt waren, dies der Großteil der Einwohner auch heute noch ist, dass jenes Denkmal, der Candelaber, in unmittelbarer Nähe der 1. Kirche Thüringens errichtet worden sei und somit seit dem 01. September 1811 auch an das missionarische Wirken ihres Begründers Winfried Bonifatius, dem „Apostel der Deutschen“, erinnern würde, erbrachten meine Befragungen zu „Sin Jörien“ (mundartlich) ,dem St. Georgsberg, die widersprüchlichsten Deutungen. Die folgenden Ausführungen basieren auf den von mir seit dem 11. November 1962 geführten und bis heute fortgesetzten Tagebuchaufzeichnungen.
Müssen nach Pfarrer Stiehlers Nachforschungen noch um 1800 auf dem St. Georgsberg Mauerreste sichtbar gewesen sein, so ergaben meine nahezu 160 Jahre später vor Ort durchgeführten Befragungen die unterschiedlichsten Angaben zu jener Örtlichkeit, die Stiehler in seinem wissenschaftlich fundiertem Buch „Kloster und Ort Georgenthal“ ja schon so anschaulich beschrieben hatte. Am 11. November 1962, nach wochenlangen Flurbegehungen, stand ich dann – endlich – an jener Stelle, an der Heinrich Stiehler vor über 110 Jahren jene Mörtelreste fand, die „wühlende Tierlein“ noch heute zu Tage fördern. (Anm.: Im Sommer 1999 entdeckte der Catterfelder Manfred Schmidt, der bereits 1963/64 mit auf dem St. Georgsberg gegraben hatte, hier einen Spinnwirtel.)

Auch die Aussagen zur historischen Bedeutung des St. Georgsberges waren vor 40 Jahren noch äußerst widersprüchlich. So sind damals viele der Befragten davon überzeugt gewesen, dass auf dem St. Georgsberg, einem typischen Burgberg, an dessen Südhang sich die Erf entlang schlängelt, schon in uralten Zeiten eine Burg gestanden habe. Andere erklärten, dass sich später in jener verlassenen Burg Mönche angesiedelt hätten, um von hier aus im Tale des St. Georgsberges ihr Kloster Georgenthal neu zu errichten. Wenige der Befragten aber waren davon überzeugt, manche Georgenthaler (und Neubürger) sind es heute wieder, dass es auf dem St. Georgsberg nie zu einer Klostergründung gekommen sei. Alle Befragten verwiesen jedoch auf unterirdische Gänge, die entweder bis zum Kloster Georgenthal, und/oder zum Kloster Reinhardsbrunn, dem einstigen Hauskloster der Landgrafen Thüringens, ja sogar bis zum Erfurter Petersberg bzw. dem Dom geführt hätten; das Ergebnis einer zu blühenden Phantasie.
Doch welche Erkenntnis lag zu jener Zeit bei den Bundesfreunden der Ortsgruppe des Kulturbundes des Urlauberortes Georgenthal vor? Bereits am 1. August 1945 begründet, gehörte sie ja zu den ersten Kulturbundgruppen des damaligen Deutschland, deren Mitglieder bereits drei Monate nach dem Ende des verheerenden 2. Weltkrieges für den kulturellen Neubeginn in Georgenthal Sorge getragen hatten.
(Anm.: Als langjähriger und letzter Vorsitzender der Ortsgruppe des Kulturbundes der Gemeinde Georgenthal bewahre ich diese Dokumente auf.)
Einer von diesen war der Regierungsbaurat a.D. Herr Arthur Fetzer (†), der sich bis zu seinem Tode um die Erhaltung und Publizierung der Reste des einst bedeutenden Zisterzienserklosters Georgenthal Verdienste erworben hat. Leider kam es zwischen ihm und mir erst im Jahre 1965 zu einer sachdienlichen Zusammenarbeit. Bei seinen Führungen der Gäste des Georgenthaler Blindenkurheimes durch die zu jener Zeit bereits von meiner Arbeitsgemeinschaft gepflegten Klosterruinen ließ sich Herr Fetzer oft durch mich vertreten und bot mir wenig später sogar die Leitung des Georgenthaler Museumsbeirates an.
Mein erstes Gespräch mit Bundesfreund Fetzer Ende September 1962 in dessen Wohnung sollte allerdings auf lange Zeit das vorläufig letzte bleiben. An jenem Tage hatte ich Herrn Fetzer meine Hilfe als Kunsterzieher der Schule Georgenthal anbieten wollen. Herr Fetzer bemühte sich damals um die Einrichtung eines Heimatmuseums im Kornhaus. Wohl zu begeistert schilderte ich seinerzeit mein erfolgreiches Forschen mit Schülern sowie meine Vorstellungen für ein archäologisches Vorgehen auf dem St. Georgsberg.
Herrn Fetzers damalige Entgegnung „Wer sind Sie denn eigentlich, was wollen Sie von mir… und auf dem St. Georgsberg ist nichts mehr zu finden“ (Anm.: Vgl. Tagebuch „Die Ausgrabungen auf dem St. Georgsberg“, S. 7.), lösten bei mir für lange Zeit großes Befremden aus.
Doch schon Tage später lernte ich mit den zwei Zimmermännern Hugo Hildebrandt und dessen Sohn Karl Hildebrandt zwei Georgenthaler kennen und schätzen, die meinem Forschungsvorhaben sofort aufgeschlossen gegenüber standen. Sie sprachen mir nicht nur den erforderlichen Mut zu, sondern unterstützten mich mit entsprechender Literatur, später sogar mit Originalen.

Gästebuch Nr. 3 – Eintrag vom 02.02.1974 auf Seite 61/b für Jörg Hildebrandt

(Anm.: Mit der Veröffentlichung weiterer aussagekräftiger Besuchereinträge aus fünf Gästebüchern wird im Kapitel VI an das Engagement vieler Arbeitsgemeinschaftsmitglieder dankend erinnert.)

Ein hochinteressantes Dokument…

(Anm.: Jener von Hugo Hildebrandt einst mit nahezu 80 Jahren gezeichnete Grundriss (s. Abb.) der Anlage des Klosters Georgenthal sorgte vom 30. Juni 1966 bis zum 16. Juni 1991 stets für großes Staunen der Museumsbesucher und ist sogar in die neue Ausstellung im Kornhaus einbezogen.)
Wohl auch durch die Vorbildwirkung der Großväter geprägt, sollten die Ur- bzw. Enkel Jörg und Annette den Urlaubern und Bürgern Georgenthals später im Heimatmuseum die weisen Goethe-Worte hautnah erleben lassen:

„Was du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen.“

Gerade bei meinen Gesprächen mit dem rührigen Hugo Hildebrandt (†) und dessen Sohn Karl (†), der später u.a. auch für den Einbau der Treppe im Kornhaus (Heimatmuseum) mit verantwortlich zeichnen sollte und manchem Georgenthaler als „Wasservoigt“ in Erinnerung geblieben ist, musste ich feststellen, dass die Geschichte für die Talgründung des Klosters schon klarer abrufbar war, als jene des Vorläuferbaus auf dem St. Georgsberg, was nicht zuletzt auf ein Ereignis zurückzuführen ist, das genau 150 Jahre zurückliegt. Im April des Jahres 1924 schrieb hierzu der Heimatforscher Paul Baethcke:

„Nachdem dann am 5. und 6. Februar 1852 eine große Wasserflut die Apfelstädt aus ihrem Strombett getrieben und mit der Nordwestecke der Klostermauer (bei der Brauslochbrücke) auch einen Teil der daran hinführenden Straße von Georgenthal nach Ohrdruf hinweggerissen hatte, stieß man bei Abgrabung von nahen Schutthügeln behufs Wiederherstellung der zerstörten Straße auf jene kunstvollen Säulen, die noch heute, weil einzigartig, die Bewunderung jedes Kunstverständigen wecken (Anm.: Paul Baethcke, Georgenthal in Thüringen, S. 9, Georgenthal 1924.)“
Und entsprechend seines Kunstverständnisses hatte bereits am 7. Juni 1852 der damalige Herzog zu Sachsen Coburg und Gotha „die Direktion der Kunst- und wissenschaftlichen Sammlungen auf dem Friedenstein beauftragt, das die zu Tage beförderten Altertümer unter gehöriger Aufsicht gehalten werden“ (vgl. Dokumentenkopie der folgenden Seite vom 07.06.1852).

Doch wie sich die Bürgermeister Georgenthals mit ihren Gemeinderäten, wie die Pastoren dieses geschichtsträchtigen Ortes nach dem Tode Paul Baethckes (27.01.1936), der vor 110 Jahren die Ausgrabungen nach den Resten des einstigen Zisterzienserklosters neu belebt hatte (s.o.), um die Erhaltung des seit nunmehr 150 Jahre freiliegenden einzigartigen Säulensaales sorgten und wie dieser ab 1962, verstärkt ab September 1965, von den Mitgliedern einer AG „Junge Historiker“ bis zum 16.06.1991 wiederhergerichtet, gepflegt und publiziert wurde, wird im Kapitel VI ausgeführt und mit weiteren Originaldokumenten anschaulich belegt.
Aus P. Baethckes Publikation vom Jahre 1924, die mir der Zisterzienserfreund (vgl. dessen phantasievolle Klosterzeichnungen) Hugo Hildebrandt dankenswerter Weise bereits vor 40 Jahren „für ein weiteres Erforschen der bedeutenden Geschichte des Zisterzienserklosters Georgenthal“ zum Verbleib überreicht hatte, geht jedoch auch hervor, dass dieser nach dem Tode seines Altenberger Amtsbruders Heinrich Stiehler dessen tiefgründige Forschungsergebnisse zum St. Georgsberg unklar wiedergibt und die Forschungen zur St. Johanneskirche auf dem Alte- bzw. Johannesberg oberhalb Altenbergens sogar als „ungeschichtlich“ bezeichnete. Baethcke schrieb vor 78 Jahren: „Die Behauptung, Bonifatius habe 724 die St. Johanneskirche als erste christliche Kirche in Thüringen erbaut, beruht, abgesehen davon, dass es zu seiner Zeit in Thüringen bereits christliche Andachtsstätten gegeben hat, auf einer Erfindung von Johannes Rothe, dem 1434 gestorbenen Hofkaplan der Landgräfin Anna von Thüringen und darf endgültig als ungeschichtlich abgetan gelten.“

Und im Gegensatz zur Publikation des in Altenbergen ortsansässigen Heimatforschers und Pfarrers Heinrich Stiehler vom Jahre 1893 lokalisierte Baethcke dann 31 Jahre später den St. Georgsberg falsch. Zur Örtlichkeit des Bergklosters Asolveroth, dem Vorläufer des Zisterzienserklosters Georgenthal, schrieb er u.a.:
„Sin Jörgen“ … bis links vom Erfgrund herauf auf eine Wiese … Des darüber begründeten Klosters, urkundlich bezeugt, jetzt Catterfelder Schindanger genannt.“
Auf derselben Seite bringt Baethcke für den Erfgrund folgende Erklärung: „Erf = Rindvieh. Sehr wahrscheinlich waren die Wiesen im „Erfgrund“ die Wiesen für das Rindvieh des Klosters“. 29) Tatsächlich befindet sich „Sin Jörien“ oberhalb und nördlich des Erfgrundes, aber der „Catterfelder Schindanger“ liegt ca. 1500 m nordöstlich des St. Georgsberges. Nicht nur Baethckes widersprüchliche Aussagen zum Bergkloster Asolveroth, zu welchem er später doch noch richtig darlegt: „Auf dieser Waldblöße gründete vor 1140 der Graf Eberhard von Berg als Mönch des Zisterzienserklosters Morimond (in Frankreich) ein Kloster, das nach der von Asolveroth über Catterfeld hier vorüberführenden alten thüringisch-fränkischen Verkehrsstraße (große Straße, magna strata) von Asolveroth zuerst Kloster Asolverode hieß.“ (Anm.: Und wieder 70 Jahre später sollte der vom 16.06.1991 bis Ende August 2001 in Georgenthal wirkende Seelsorger, wissenschaftlich vorliegende Publikationen negierend, ähnlich publizieren.); sondern auch dessen Negieren der Forschungsergebnisse seines inzwischen verstorbenen Altenberger Amtsbruders Heinrich Stiehler, regten mich zum tiefgründigeren Forschen an. Doch vor allem die mir bereits im April 1961 von meinem ehemaligen Pfarrer Gerhard Herrmann überreichte und von diesem verfasste unveröffentlichte Schrift:

„Die älteste Kirche und Kirchgemeinde Mitteldeutschlands“
und letztendlich mein schon seit Ende 1961 begonnenes eigenes Recherchieren sollten ab 18.11.1962, einem Sonntag, zu archäologischen Nachforschungen auf dem St. Georgsberg bei Altenbergen/Catterfeld führen. In den folgenden Wintermonaten 1962/63 stand mir hierbei der Sohn der Leiterin der Georgenthaler Schulküche Paul Lesser treu zur Seite.
Zum 21. 11. 1962 (= Bußtag) schrieb ich auf der Seite 49 in meinem Tagebuch „Die Ausgrabungen auf dem St. Georgsberg bei Catterfeld“ vor nunmehr 40 Jahren: „Am heutigen 21.11.1962 wurde mit der Ausgrabung des Klosters auf dem St. Georgsberg Ernst gemacht. Ab 8:00 Uhr begannen wir an der von uns am 18.11.1962 gekennzeichneten Stelle zu graben! Zuerst wurde der Rasen 1,50 m x 1,50 m mit dem Spaten abgehoben und die Erde nach Funden abgesucht, jedoch nichts gefunden. In ca. 25 cm Tiefe fiel uns das Graben sehr schwer. Das Erdreich konnte nun nur noch mit der Kreuzhacke gelockert werden. Und plötzlich große Massen von Bauschutt … endlich in ca. 60 cm Tiefe Mauern … nein das hier anstehende Rotliegende.
Schon begann uns der Mut zu sinken. Nach sechsstündiger Arbeit schon aufgeben? Nein! Die gefundenen Baureste bewiesen deutlich genug, dass wir wohl an jener Stelle waren, die der Heimatforscher Stiehler bereits in seiner Publikation „Kloster und Ort Georgenthal“ vom Jahre 1893 so anschaulich beschrieben hat. Es mussten noch Mauerreste zu finden sein! Aber wo? Schon wollten wir die Arbeit an diesem Tage abbrechen, als ich nach einem Hinweis von Paul meine Picke 3 m südlich wütend ins Erdreich schlug, da ich überzeugt war, auch hier nichts zu finden. Erstaunt waren wir dann beide, dass ich nun statt einer Picke zwei Teile in den Händen hielt. Waren wir auf einen Felsbrocken oder schon wieder auf das hier anstehende Rotliegende gestoßen? Jetzt wurde fieberhaft gearbeitet. Und 10 Minuten später konnten wir einen Freudentanz vollführen.
Wir waren auf die 1,06 m breite südliche Gebäudemauer gestoßen. Das schon Stunden zuvor einsetzende Schneetreiben hatte uns nicht gestört. Im Gegenteil. Jetzt zapften wir aus unseren Mopeds Benzin ab, suchten Reisig, um ein „Freudenfeuer“ zu entzünden. Vorsorglich hatte Paul „Mutters Alu-Topf“ und natürlich auch eine Flasche „Braunen“ mitgebracht. Nach dem Motto: „Und wenn der ganze Schnee verbrennt, die Asche bleibt uns doch!“ tauten wir den Schnee auf und „wärmten“ uns nun an einem sehr starken „Grog“. Als nächsten Arbeitstag vereinbarten wir den 23. November.
Jenen 21. November 1962, unseren „Tag der Entdeckung“ feierten wir damals noch in den Gaststätten „Schillers-Höhe“, dem „Deutschen Hof“ und im „Cafe Adler“. Dieser 21. November .1962 galt für uns wenig später als der eigentliche Gründungstag der AG „Junge Historiker“.

Am 23.11.1962 setzten wir die Grabung trotz heftigen Schneetreibens und 6 °C fort. Über den jeweiligen „Forschungsstand“ fertigte ich entsprechende Lageskizzen an, die hier auf den nächsten Seiten erstmals publiziert werden.
Um solche Grabungs- bzw. Lageskizzen anfertigen zu können, hatte ich an einem regnerischen Freitagnachmittag Ende Oktober 1962 gemeinsam mit Paul Lesser und meiner geschichtsinteressierten Schülergruppe dem Heimatmuseum Gotha einen Besuch abgestattet. Anlässlich jenes Museumsnachmittages erwarben wir für unser forschendes Graben in den folgenden Jahren erste bleibende Kenntnisse.
In einer mehrstündigen Führung, in die wir aktiv einbezogen worden waren, hatte uns Herr Dipl. phil. Egon Hennig, der verantwortliche Fachwissenschaftler des Heimatmuseums für die Belange der Ur- und Frühgeschichte unseres Kreisgebietes, mit bedeutenden Ereignissen unserer Heimatgeschichte vertraut gemacht. Besonders anschaulich verdeutlichte uns der Archäologe die Funde aus der Ur- und Frühgesichte. Die noch spärlichen Funde aus der Zeit des Frühmittelalters führten bei Paul und einigen Schülern dazu, dass sie schon an diesem Tage Herrn Egon Hennig auf zu erwartende Funde auf dem St. Georgsberg bei Altenbergen hinwiesen. Diese unvergessliche Museumsfü hrung, in der ich erstmals nachempfinden konnte, wie man jene Forderung Pestalozzis umsetzen kann: „gleichermaßen mit Kopf, Herz und Hand zu lernen“, gab mir damals den Mut Herrn Dr. Motschmann (†), dem langjährigen Direktor des Heimatmuseums Gotha, abschließend folgende Frage zu stellen:
„Wie könnten wir die Aufforderung des gerade von mir verinnerlichten Ausstellungstextes ‚Im Boden erhaltene Reste der Kulturhinterlassenschaft … sollen der Wissenschaft sowie den breiten Massen des Volkes zugänglich gemacht werden‘ (Anm.: Vgl. „Verordnung zum Schutze und zur Erhaltung der ur- und frühgeschichtlichen Bodenaltertümer” vom 28. Mai 1954.) durch ein gemeinsames archäologisches Vorgehen auf dem St. Georgsberg bei Altenbergen/Catterfeld baldmöglichst erfüllen?”
Während Herr Dr. Motschmann an jenem Tage noch feststellte, dass eine Klostergründung auf dem St. Georgsberg lediglich im Reiche der Sage existieren würde (s. auch dessen Schreiben vom 25.02.1963), erklärte der Archäologe Egon Hennig aus Erfurt spontan seine Bereitschaft, mit uns im Frühjahr 1963 auf „Sin Jörien“ eine Suchgrabung durchzuführen.
Diese widersprüchliche Haltung der beiden gestandenen Wissenschaftler zur Erforschung der historischen Bedeutung des St. Georgsberges erinnerte uns an das Leben und Erleben unseres Vorbildes Heinrich Schliemann, den Träumer, wenn er in die alten Welten blickte, den kalt überlegenen Detektiv, wenn er nach Schätzen spürte, der leider aber auch wie ein Michael Kohlhass handelte, wenn er um seine eigene Sache focht. 32)
(Anm.: Vor 40 Jahren ahnte ich nicht, dass es mir einmal ähnlich ergehen sollte.)
Doch weil es schon immer „zünftige Archäologen“ gab, die den Männern, die nur den Anstoß zu neuem Sprung ins Dunkle gaben, das Leben schwer machten, handelten Paul Lesser und ich ab 18.11.1962 „auf eigene Faust“ im Sinne von Rudolf Virchow, dem einstigen Mitstreiter unseres Vorbildes Heinrich Schliemann. Eingedenk des Wirkens jenes Schwagers des Begründers des Georgenthaler Fremdenverkehrs, Sanitätsrat Dr. Louis Mayer, versuchen wir in den kommenden Jahrzehnten „Mutmaßungen durch Beweise zu ersetzen, Theorien auf den Grund zu gehen, um später die Zusammenhänge sichtbar machen zu können.“ (s.o.)