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Studium und Beginn der Tätigkeit als Lehramtsanwärter (von November 1958 bis November 1962)

Nachdem ich Ende Oktober 1958 die Mitteilung erhalten hatte, dass ich zu den wenigen Studenten gehöre, die nachimmatrikuliert worden seien, begann ich am 1. November offiziell mit dem Studium. Und da meine Mitstudenten, die alle aus der Produktion gekommen waren, bereits großen „Vorlauf“ hatten, bedeutete dies für mich: „Lernen, lernen und nochmals lernen!“. Um das bereits im April 1958 von der Schulkonferenz in Berlin beschlossene Ziel der „umfassenden Verwirklichung der polytechnischen Bildung und Erziehung“ auch baldmöglichst erreichen zu können, waren damals die Studien- und Ausbildungszeiten völlig neu geregelt worden.
Hatte man die Hochschulreife anfänglich erst nach der erfolgreichen Absolvierung eines dreijährigen, doch wenig später schon nach einem zweijährigen „Vorkurs“ erreichen können, erfuhren wir nun, dass wir schon nach einem Jahr Vorkurs die Hochschulreife erreichen müssten. So kam es zu Fächerstreichungen, doch auch zum intensiveren Studium solcher Schwerpunktfächer wie: Psychologie, Pädagogik, marxistische Philosophie und Kunstgeschichte. Ich war der Seminargruppe Kunsterziehung/Werken, der einzigen „KW-Gruppe“ am PI Erfurt, zugeteilt worden. Für das Studienfach Werken galten die Fächer Physik und Mathematik als Schwerpunktfächer, aber auch Deutsch und Russisch standen auf dem Studienplan.
Seminarschwerpunkte im philosophischen Bereich bildeten in den ersten Monaten unserer Studienzeit der sogenannte „Volksnotstand“ in der Bundesrepublik sowie die Einweihung der „Nationalen Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald“.
Am 9. September 1958 hatte der „Ausschuss für deutsche Einheit“ auf einer internationalen Pressekonferenz u.a. nachweisen können, dass zu jener Zeit noch 300 SS-Führer die Bundeswehr befehligten, 400 Nazi-Richter in leitenden Positionen der Justiz tätig und ca. 400.000 junge Menschen in die Fremdenlegion getrieben worden waren. Im Gegensatz hierzu war nur 5 Tage später im anderen deutschen Staat die Einweihung der „Nationalen Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald“ erfolgt.
Hatten zu Beginn unserer Studienzeit noch alle Studenten, die aus Industrie und Landwirtschaft gekommen waren, ein einheitliches monatliches Stipendium von 220 bis 230 Mark, sollte sich dies bald durch den „Kampf“ um ein „Leistungsstipendium“ ändern. Grundvoraussetzung hierfür war die Zugehörigkeit zur SED, später reichte auch die Mitgliedschaft in einer der Blockparteien.
Als ein erst 17jähriger konnte ich damals bei so manch einer „Seminardiskussion“ oft nur mein Befremden zum Ausdruck bringen. Mit Freude und Achtung begrüßte allerdings auch ich die Einweihung der „Nationalen Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald“ auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Buchenwald unweit der Klassikerstadt Weimar, vom 14. September 1958. (Anm.: Der Mitgestalter, der Gartenarchitekt Hugo Namslauer, unterstützte uns im Jahre 1965 bei der Erarbeitung eines gärtnerischen Gutachtens zur Pflege der Georgenthaler Klosterruinen.)
Aber nicht die oft sinnwidrigen Diskussionen mancher SED-Mitglieder, die sich so ihr Leistungsstipendium erworben hatten, bereiteten mir Schwierigkeiten, sondern das Fach Mathematik. Hier konnte die Schwester Bärbel, die noch ein Jahr mit mir am PI studiert hatte und auch im Internat wohnte, ihrem Bruder erstmals nicht helfen.
Und so lauschte ich eines Abends auf dem sogenannten „Lichthof“ des Hauptlehrgebäudes den Klängen eines Klaviers. Dies wiederholte ich an den folgenden Abenden, bis die kleine Pianistin mich entdeckt hatte. Im Gespräch stellte sich heraus, dass auch sie seit September 1958 die Fächer Deutsch und Kunsterziehung studieren würde, weil für Mathematik leider kein Studienplatz mehr vorhanden gewesen sei. Sie war die erste und einzige Studentin, die mit mir die ersten Tage „per Sie“ war, was sich aber bald änderte, da das „Sie“ bei den nun folgenden vielen Mathematik-Nachhilfestunden gestört hätte.
Ich erfuhr, dass Waldfriedel die zweite Tochter des Lehrers Ernst Specht sei, der damals Schulleiter jenes Grenzdorfes Vitzeroda war, in welchem ich noch kurz vor meinem Studienbeginn die kleine Umformstation der Grenzkompanie mit errichtet hatte. Ferner stellte sich heraus, dass sie am selben Tage wie ich Mitglied des Hochschulchores geworden war und ihre Schwester Edeltraud an der PH in Halle Mathematik/Musik studieren würde, sie selbst am 21. Januar 1940 im kleinen Rhöndorf Klings das Licht der Welt erblickt hätte. Meine Entgegnung, dass ich am 22. Januar 1941 in Erfurt geboren wäre, tat Friedel mit einem Lächeln ab, hielt sie dies doch für „nicht möglich“.
Im August 1959 gehörte auch ich zu denjenigen Studenten, denen nach nur einem knappen Jahr Vorkurs die Hochschulreife bestätigt werden konnte, was ich zu einem nicht geringen Teil der Germanistikstudentin Waldfriedel Specht zu verdanken hatte.
Waren wir bereits zu Beginn des Vorkurses auf ein vierjähriges Direktstudium eingestellt worden, erfuhren wir nun von den neuesten Festlegungen. Nach diesen war folgender Ablauf vorgesehen: Zwei Jahre Direktstudium, Einsatz als Lehramtsanwärter an einer Schule mit einem dazu parallel einhergehenden dreijährigem Fernstudium, welches mit dem Lehrerexamen im Jahre 1964 abschließen sollte.
Dieser Neuregelung war ein bereits in der Zeit vom 15. bis 17. Januar 1959 erfolgter Beschluss des ZK der SED vorausgegangen, welcher die Ablösung der obligatorischen achtklassigen Schulform durch die „zehnklassige allgemeinbildende polytechnische Oberschule“ ab 1964 vorsah. Und für eine schnellstmögliche Realisierung dieser Umgestaltung des Schulwesens in der DDR mussten die entsprechenden Lehrkräfte erst ausgebildet werden. Für mich bedeutete dies erneut intensivste Anstrengungen.
So hielten wir Direktstudenten damals auch das erstmalige Erreichen des Mondes am 13. September 1959 durch die sowjetische Raumsonde „Lunik 2“ für ein gutes Omen, fiel dieses weltweit beachtete Ereignis doch nahezu mit dem Beginn des ersten Semesters unseres Direktstudiums zusammen.

Anmerkung: Diese Bescheinigung des Bürgermeisters Paul Rahn (†) führte letztendlich dazu, dass ich bis Dezember 1959 als ehrenamtlicher Internatsleiter eingesetzt werden sollte.

Nur knapp vier Monate später, am 6. Januar 1960, keimte bei manchem der Studenten die Hoffnung für ein bald geeintes Deutschland. An jenem Januartag hatten sich die NOK’s der DDR und der Bundesrepublik endgültig über eine gemeinsame Olympiamannschaft für die bevorstehenden Winter- und Sommerspiele geeint. Diese für uns alle überraschende Mitteilung „erlebte“ ich damals gemeinsam mit der Oma Martha am Radio im Georgenthaler Notwohnhäuschen Neue Str. 33.
Da die Oma, inzwischen verwitwet, am grauen Star erkrankt war und auch für Haus und Garten entsprechende Hilfe benötigte, war ich ab 1. Januar 1960 Bürger der Gemeinde Georgenthal geworden. Wie einst vor 850 Jahren die Zisterzienser vom St. Georgsberg bei Catterfeld/Altenbergen, so siedelte auch ich vor 42 Jahren von Catterfeld ins Tal, was bald zu einer intensiven Erforschung der bedeutenden Geschichte des einstigen Zisterzienserklosters führen sollte.
Während Waldfriedel, seit dem 6. Dezember 1959 meine Verlobte, noch im Internat des PI wohnte, fuhr ich ab Januar 1960 bis Juli 1961 täglich mit der Bahn von Georgenthal nach Erfurt zum Studium. Die Bahnfahrt „verkürzte“ ich mir im Nichtraucherabteil mit dem Studieren der „Gespräche des Konfuzius“ sowie des 1. Teils von Goethes „Faust“.
Und als dann die durch die Medien veröffentlichte Anordnung des Ministerrates der DDR vom 28. April 1960, die Bezeichnung „Deutschland“ auf allen in der DDR hergestellten Karten und Atlanten nicht mehr verwenden zu dürfen, von den Mitstudenten recht absurd diskutiert wurde, der Seminargruppenleiter uns damals aufforderte uns doch in den „Geist der Zeit“ zu versetzen, meldete auch ich mich zu Wort: „Bereits unser Dichterfürst J.W.Goethe lässt im ersten Teil seiner Tragödie den Famulus des Faust u.a. sagen: ‚Verzeiht! es ist ein groß Ergetzen, sich in den Geist der Zeiten zu versetzen.‘ und darauf den Doktor Faust antworten: ‚Mein Freund, die Zeiten der Vergangenheit sind uns ein Buch mit sieben Siegeln; was ihr den Geist der Zeiten heißt, das ist im Grund der Herren eigner Geist, in dem die Zeiten sich bespiegeln.‘ „.
Damals vom Seminargruppenleiter und den Leistungsstipendiaten noch missverstanden, haben diese Faustworte noch heute volle Gültigkeit.
Am 4. Oktober 1960, vier Tage vor unserer Eheschließung in Catterfeld, hatte der Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht vor der Volkskammer seine programmatische Erklärung zur geschichtlichen Mission der DDR abgegeben. Seine damals für uns bedeutungsvolle Feststellung: „Das Christentum und die humanistischen Ziele des Sozialismus sind keine Gegensätze“, sollte nun für Waldfriedel und mich bis zur „Wende“ stets als Leitsatz für unser Handeln dienen.

08.10.1960 Meine Hochzeit in Catterfeld
Hintere Reihe v.l.nr. (stehend):
Dagmar Scheidemann, Tante Alma, Patenehepaar der Braut: Lina und Karl Denner,
Brautschwester Edeltraut, Schwester Bärbel, Schwager Erich, Schwester Christine, Köchin
Vordere Reihe (sitzend):
Tante Bertha, meine Eltern, Brauteltern, Oma Martha, Schwester Beate

Am Ende des Jahres 1960 keimt auch bei so manchem Studenten neue Hoffung. In der DDR wird nach vielen Bemühungen und Protesten, vor allem von westlichen Schriftstellern wie Erika und Katja Mann sowie Halldor Laxness am 23. Dezember der in Bautzen inhaftierte Walter Janka aufgrund einer Verfügung W. Ulbrichts vorzeitig aus der Haft entlassen und in Bonn unterzeichnen Bundeskanzler Konrad Adenauer und der sowjetische Botschafter Andrej Smirnow ein deutsch-sowjetisches Handelsabkommen.
Doch das von uns mit neuen Hoffnungen begonnene zweite, für mich gleichzeitig letzte Direktstudienjahr am PI Erfurt, sollte durch ein Ereignis in den Augusttagen des Jahres 1961 die bisherigen Verbindungen zwischen Ost und West jäh unterbrechen und das bereits im Jahre 1945 von Winston Churchill skizzierte Bild vom sich senkenden „Eisernen Vorhang“ Wirklichkeit werden lassen. Viele Jahre wurde nun diese weltweit beachtete, für uns Deutsche aber unglückliche Maßnahme, in der BRD mit dem Wort „Mauer“ und für die Regierenden in der DDR mit dem neuen Wort „Schutzwall“ verbunden.
In den ersten Monaten des Jahres 1961 war allerdings diese sich bereits auf außenpolitischem Gebiet abzeichnende dramatische Entwicklung von der Bevölkerung beider deutscher Staaten kaum wahrgenommen worden. Während in der BRD am 6. März die DM erstmals gegenüber der internationalen Leitwährung, dem US-Dollar, um 4,76 Prozent aufgewertet wird, beauftragt in Ostberlin Ende März 1961 W. Ulbricht Erich Honecker, in größter Heimlichkeit mit den Vorbereitungen für den Mauerbau zu beginnen.

Erfurt am 12.04.1961: Kommilitone Hans Keller fotografiert den Autor (Prüfung zur Handhabung fototechnischer Geräte)

Der nun zwischen den zwei Großmächten einsetzende Kampf um die Eroberung des Weltraums sowie der gerade angelaufene langanhaltende Prozess gegen Adolf Eichmann, einem der Hauptverantwortlichen für die „Endlösung der Judenfrage“, vor dem Bezirksgericht in Jerusalem, der damals bis zur Hinrichtung Eichmanns am 31. Mai 1962 weltweite Beachtung fand, führten schließlich dazu, dass man in der Nacht zum 13. August 1961 nahezu noch unbeachtet mit dem Bau der Mauer in Berlin beginnen konnte.
Bereits am 3. und 4. Juli hatte W. Ulbricht vor dem ZK der SED über die endgültige Regelung des Westberlin-Problems referiert. Und an jenem 3. Juli absolvierte ich meine letzte Prüfung für das Fach Werken, die Holzprüfung.
In diesem weltpolitisch so ereignisreichen Jahr, in welchem zwar die Weltöffentlichkeit gebannt und gleichermaßen gelähmt auf den Berliner Mauerbau vom 13. August schaut, der USA-Präsident John F. Kennedy allerdings noch glaubte, dass nun die Berlin-Krise beendet sei, deshalb weiter unbekümmert auf seiner Ferienjacht „Marlin“ schippert und der britische Premierminister Harold Macmillan Moorhühner in Schottland schießt, liegen bereits die ersten Tage „Ferienspiele“ an der Schule zu Georgenthal hinter mir.

Am 12. April 1961, ich hatte gerade mein Testat zur Bedienung technischer Geräte im Zusammenhang mit der Handhabung der unterschiedlichsten Fotoapparate in Empfang genommen, brachten alle Sender die unvergessene Meldung: „Der 1. Mensch im Weltall!“. Der sowjetische Kosmonaut Juri Gagarin hatte in der winzigen „Wostok-1“ Kapsel den 100-minütigen Raumflug mit einer vollen Erdumkreisung bewältigt.
Doch schon am 5. Mai antwortet die USA mit einem 15minütigen und knapp 500 Kilometer weiten Flug in den Weltraum (und wieder zurück) durch den amerikanischen Astronauten Alan Shepard in der Kapsel „Mercury 3“.

3. Juli, 1961: Holzprüfung (Foto: Geschenk meines Seminargruppenleiters Heinz Jura)

Schon am 11. März 1961 hatte ich mich schriftlich um meinen künftigen Einsatzort als Lehramtsanwärter bemüht. Da ich seit dem 1. Januar 1960 Bürger Georgenthals war, an der Georgenthaler Schule ab dem Schuljahr 1961/62 auf jeden Fall ein Lehrer für die Fächer Kunsterziehung/Werken benötigt wurde, der Direktor der Schule sich auch nicht mehr um eine Wohnung für mich bemühen musste, konnte ich hoffen.
Und als am 27. April 1961 unser erster Sohn Jörg geboren wird, erhalte ich ebenfalls den ersten mündlichen Zwischenbescheid, dass es mit meinem Einsatz als Lehramtsanwärter an der Georgenthaler Schule höchstwahrscheinlich klappen würde. Für die kleine Familie beginnt nun der Ernst des Lebens. Die junge Mutter muss Studium und Kinderbetreuung in Einklang bringen. Unterstützt wurden wir hierbei von der Oma Irmgard (†) in Catterfeld, der Oma Lina (†) in Vitzeroda, doch vor allem von der Uroma Martha (†) in der gemeinsamen Georgenthaler Wohnung.
Mein offizieller Dienst am Oberschulkombinat (= damalige Bezeichnung) Georgenthal begann am 1. August mit einem dreiwöchigen Ferieneinsatz (= Ferienspiele), der auch mit umweltgestalterischen Arbeiten am Hammerteich, im Kurpark und in den Klosterruinen verbunden war. Als künftiger Kunsterzieher der Georgenthaler Schule wurde ich mit meiner Ferienspielgruppe erstmals in den völlig zugewachsenen Ruinen der Abteikirche des einstigen Zisterzienserklosters aktiv. Während die Mädchen zeichneten bzw. die Klostermauern vom Unkrautbewuchs befreiten, beseitigten die Jungen mit mir das Buschwerk. Am Ende unseres erfolgreichen Ferieneinsatzes konnte ich mich bei den mir erstmals anvertrauten Schülern mit den weisen Worten des großen deutschen Pädagogen Karl Friedrich Wilhelm Wander bedanken:

„Wo Verstand und Herz zugleich sich regen, bringt der Fleiß Erstaunliches zuwegen.“

Während wir in Georgenthal Denkmalpflege betreiben, beginnt man am 13. August in Berlin mit dem Bau der Mauer. Dieses später weltweit beachtete Ereignis sollte auch für mich schon bald eine unrühmliche Bedeutung erlangen. Waldfriedel, die ab September 1961 als junge Mutter nun täglich von Georgenthal nach Erfurt zum Studium fuhr, überreichte mir eines Tages fassungslos (unser Jörg war noch keine 5 Monate alt) die in Erfurt erworbene Zeitung. In einem Beitrag war im Bezirksteil zu lesen: „Der junge Lehramtsanwärter Roland Scharff aus Georgenthal erklärte sich bereit, die Berliner Grenze zu schützen.“ Noch vor Unterrichtsbeginn des folgenden Tages bat ich den Direktor der Georgenthaler Schule um Richtigstellung. Dieser zeichnete für jene Zeitungsente verantwortlich.
In der 10 Monate später vom Direktor (†) verfassten Einschätzung der Tätigkeit des Kollegen Roland Scharff vom 07.07.1962 (Anm.: Sofort nach der „Wende“ hatte ich vom damaligen Direktor der Catterfelder „Heinz Rohde“ Oberschule meine Kaderakte „zur eigenen Verwendung“ ausgehändigt bekommen.), der ersten meiner Lehrertätigkeit, war nun der „Grenzschützer“ zu einem Lehrer geworden, der mit einer „betont lässigen Gesamthaltung… persönliche Einsatzbereitschaft vermissen lässt… und auch im Ort keine Funktion ausübt.“ Aber im letzten Abschnitt wird dann doch noch der Wahrheit die Ehre gegeben: „Kollege Scharff arbeitete recht aktiv als Gruppenpionierleiter einer 5. Klasse. Er leitete eine Arbeitsgemeinschaft „Kunsterziehung.“ Aus beiden Gruppen sollte sich schon gut vier Monate später die künftige AG „Junge Historiker“ etablieren.
Und wieder einmal ging in der jungen Familie Scharff die Angst um. Nur zwei Tage nach meinem 21. Geburtstag, am 24. Januar 1962, war auch in der DDR die allgemeine Wehrpflicht für alle Männer vom 18. bis zum 50. Lebensjahr eingeführt und zugleich ein Militärstrafgesetz verabschiedet worden. Als Wehrpflichtiger konnte man nun auch sofort zu den Grenztruppen eingezogen werden. Die damals von einigen Kollegen lautstark verkündete Meinung: „Nun muss unser Lehramtsanwärter aber zur Fahne“, geriet erst dann nach und nach in Vergessenheit als am 16. und 17. Februar im Norden der BRD eine gewaltigen Flutkatastrophe 340 Todesopfer fordert und am 20. Februar den USA mit ihrem Astronauten John Glenn in der Kapsel „Mercury 6“ erstmals ein wirklicher Raumflug gelingt.
Doch schon zwei Monate nach Beginn des Schuljahres 1962/63 muss ich erneut von solchen Äußerungen hören wie: „Aller guten Dinge sind drei, jetzt wird der Kollege Scharff eingezogen, ob er nun will oder nicht.“
Was war geschehen?
Am 13. September 1962, ich hatte mich nach dem 13. August 1961 bei meinen intensiveren Selbstbetrachtungen noch tiefgründiger mit der Heiligen Schrift, den Selbstbetrachtungen des römischen Philosophenkaisers Marc Aurel und den Gesprächen des Konfuzius befasst, erklärte Walter Ulbricht, dass „die Grenzlinie in Deutschland nicht an der Elbe verläuft, sondern die Frontlinie mitten durch Westdeutschland geht.“ 17 Tage danach werden in allen Betrieben, Verwaltungen, Hoch- und Fachschulen sowie in den Gemeinden „Reservisten-Kollektive“ mit allen gedienten Reservisten gebildet, die unter anderem Wehrkampfsport betreiben. Am 16. Oktober beschloss das Politbüro die Bildung von Kommissionen für sozialistische Wehrerziehung, um besonders die Jungendlichen frühzeitig auf den Waffendienst vorzubereiten. Und zwischen dem 22. und 28. Oktober gerät die Welt an den Rand eines Atomkrieges. Auf Kuba war eine sowjetische Raketenabschussbasis errichtet worden, von welcher jede Stadt der USA durch Raketen mit atomaren Sprengköpfen erreicht werden konnte. Erst gegen die Garantie der USA, keine Invasion Kubas zu unternehmen, gab die sowjetische Führung den Befehl zum Abbau der Raketenabschussbasen.
Wie damals die Bevölkerung der ganzen Welt, so konnte auch meine Familie wieder aufatmen, hatte sich doch jene geäußerte Meinung nicht bestätigt (Anm.: Erst 12 Jahre später, ab 28. Oktober 1974, sollte mein 6-monatiger Dienst als Reservist der NVA in Rostock beginnen.), sondern mein Handeln im Sinne des weisen Konfuzius erwies sich als das Richtige:
„Stütze dich auf jene, die dir immer nahe stehen werden, dann hast du einen zuverlässigen Halt.“
In dieser besorgniserregenden Zeit warb die SED verstärkt um Mitglieder, doch ich war am 7. Oktober 1962 Mitglied der LDPD geworden.
Und nur knapp einen Monat nach jener „Kuba Krise“ sollte unsere aufsehenerregende Entdeckung vom 21.11.1962 auf dem St. Georgsberg bei Altenbergen/Catterfeld dazu führen, dass bis zum 16. Juni 1991 (Anm.: An diesem 16.06.1991 führte ich die „Numismatische Gesellschaft“ Kassel und Herrn Krauß aus Kilchberg/Tübingen von der Partnerkirchgemeinde Georgenthals sowie erstmals auch den gerade in sein Amt als Pfarrer eingeführten Herrn F.M. durch die Ruinen der Abteikirche des Zisterzienserklosters Georgenthal.) über 1000 junge Menschen mit ihrem Lehrer und Arbeitsgemeinschaftsleiter mit weiteren Entdeckungen und deren Publizierung im Sinne der weisen Erkenntnis des großen deutschen Pädagogen und Schulpolitikers Friedrich Adolf Wilhelm Diesterweg aktiv wurden:

„Die Wahrhaftigkeit in der Darstellung heimischer Geschichte ist eine sittlich unendlich schwierige Tugend, aber sie ist die oberste.“

In den folgenden Kapiteln wird aufgezeigt, wie sich über Jahrzehnte viele junge Menschen vom einzig lebbaren Ideal Wilhelm von Humboldts (1767-1835) motivieren ließen: „schöpferisch tätig zu sein“.

“Weidenbaumtaler” der Numismatischen Gesellschaft Kassel: „Wenn ein Mensch so standhaft bleibt, wie diese Weide, dann wird auch über diesen einmal noch die Sonne scheinen.“

(Geschenk der Numismatischen Gesellschaft)